In diakonischen Arbeitsfeldern gehören oftmals schwierige soziale Lebensverhältnisse, körperliche Einschränkungen und psychische Beeinträchtigungen der Klient:innen zum Alltag. Auslegungen biblischer Heilungsgeschichten suggerieren oftmals, dass das Leid, die Erkrankung zur biblischen Zeit durch die reale Begegnung mit Jesus gelöst war. Damit wären die Heilungsgeschichten für heutiges Erleben von Leid irrelevant. Die Masterarbeit beleuchtet drei Heilungsgeschichten des Markusevangeliums unter sozialgeschichtlichen Aspekten. Im Fokus liegen Körperdarstellungen, Stimme und Bewegungen der Hauptprotagonist:innen, die ein Leiden als direkte Auswirkungen des römisch-jüdischen Krieges verdeutlichen. Es wird deutlich, dass sich durch achtsame Formulierungen verschiedenste Personengruppen mit diesen Protagonist:innen identifizieren konnten. Eine genaue Analyse der Begegnung dieser Figuren mit Jesus macht deutlich, dass Jesus nicht als Wunderheiler vorgestellt wird, sondern eine Nachahmung seines Handelns möglich ist.
Der Diakon, Missionar und Evangelist Wilhelm Friedrich Menkhoff (1824-1895) war Kind der Ravensberger Erweckung und ein bemerkenswerter Grenzgänger seiner Zeit. Durch seine außergewöhnliche theologische und missionarische Arbeit wurde er gleich für mehrere Kirchen zur prägenden Persönlichkeit. Als Pastor wurde er zum Mitbegründer der niederländischen freien evangelischen Gemeinden. Später schuf er maßgeblich die entstehende Apostolische Gemeinde in Westfalen, aus der unter anderem die Neuapostolische Kirche entstand.
Menkhoffs Biographie ist dabei bislang kaum erforscht. Die vorliegende Arbeit erfasst zum ersten Mal kirchengeschichtlich Menkhoffs Wirken in den Jahren 1848 bis 1854 als Diakon im Dienst der evangelischen Pastoralgehülfen- oder Diakonenanstalt Theodor Fliedners in Duisburg.
An den zentralen Begriffen von „Schuld“ und „Schulden“ lotet diese Arbeit die Systemkonkurrenz von Religion und Geld aus. Ausgehend vom ökonomischen Paradigma des „homo oeconomicus“ wird dazu zunächst die Differenz von Schuld und Schulden anhand von vier Dimensionen (soziale, temporale, mediale und soteriologische Dimension) untersucht. In einem zweiten Schritt werden systemkonforme Unterbrechungen der Reziprozitätslogik in geldwirtschaftlichen und – anhand ausgewählter biblischer Referenzen – biblisch-theologischen Zusammenhängen dargestellt und auf ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Bewältigung von Systemmängeln untersucht. Es ergibt sich eine systemimmanente Notwendigkeit systemfremd begründeter Systemunterbrechungen für Schuldendynamiken. Im Zusammenhang von Schuld und Sünde wird die Unterbrechung auch einer theologischen Reziprozitätslogik durch soziomorphe Symboliken in der Rede vom Kreuz präzisiert. Ergebnis ist eine gabe- und anerkennungs-theologische Deutung des Kreuzesgeschehens im Sinne einer „relationalen Soteriologie“, die in ihrer Befreiungsdynamik der auf Autonomie gerichteten geldwirtschaftlichen Schuldendynamik exakt entgegen läuft und auf eine (allerdings kommunikative) Freiheit gerichtet ist.
English:
Master-Thesis: ‘Watch out, money! Praise of debt - favour of the gift. God and money in conflict’
Using the central concepts of ‘guilt’ and ‘debt’, this master thesis explores the systemic competition between religion and money. Based on the economic paradigm of ‘homo oeconomicus’, the difference between guilt and debt is first analysed on the basis of four dimensions (social, temporal, medial and soteriological dimensions). In a second step, system-compliant interruptions of the logic of reciprocity in monetary and - on the basis of selected biblical references - biblical-theological contexts are presented and analysed for their effects with regard to overcoming system deficiencies. The result is a system-immanent necessity of system interruptions for debt dynamics that are not system-immanent. In the context of guilt and sin, the interruption of a theological logic of reciprocity is also specified through sociomorphic symbolism in the theology of the cross. The result is a theological interpretation of Jesus’ crucifixion in terms of gift and recognition in the sense of a ‘relational soteriology’, which in its liberation dynamic runs exactly counter to the monetary debt dynamic aimed at autonomy, and which is directed towards (albeit communicative) freedom.
Eine Fabrikarbeiterin heiratet 1844 in Barmen-Gemarke; zwei Trauzeugen unterschreiben nicht, weil sie im Schreiben „ungeübt“ sind.
Die Trauzeugen hätten in einer Zeit schreiben lernen sollen, in der die Kirche heftig ihre alleinige Schulträgerschaft gegenüber dem Staat verteidigt.
Was bedeutet die Schule dem Evangelischen Kirchenkreis Elberfeld? Anhand vielfältiger Quellen beleuchtet die Verfasserin das gesellschaftliche Umfeld und die handelnden Personen. Sie beschreibt das damalige Elementarschulwesen, die kirchlichen Hintergründe und den Konflikt zwischen Schule und Fabrik.
Zwei Protokolle der Kreissynode Elberfeld werden anhand von Kennzahlen als Analyseinstrumente ausgewertet.
Eschatologie und Zeit – Über den Zusammenhang von Schöpfung und Geburt und ihr Verhältnis zur Hoffnung in Römer 8,18-25. Exegetische Analyse und systematisch-theologische Reflexion – eine Zusammenfassung
Was bedeutet es, Schöpfung neu zu denken?
Überlegen Sie einmal? wie würden Sie das angehen? Worauf wäre zu achten? Wo anzuknüpfen?
Am Anfang meiner Arbeit steht eine unerwartete Begegnung, die ich vor einiger Zeit auf dem Weg zum Zug im Bonner Hauptbahnhof machte. Auf einer wechselnden Werbeanzeige, die dem vorbeieilenden Bahnhofspublikum für gewöhnlich die besten Sparangebote der Woche präsentiert, tauchte dieses für Bahnhofsunterführungen untypische Plakat auf. Im Rahmen des Beethovenfestes soll Joseph Haydns Oratorium Schöpfung, das die Schöpfungsgeschichte der Genesis musikalisch erzählt, aufgeführt werden. Diese eigentümliche Begegnung mit dem Plakat Schöpfung Neu Denken vermag es, viele Aspekte meiner Beschäftigung mit Römer 8,18-25 zur Darstellung zu bringen. In großen weißen Lettern springt dem hastigen Zugreisenden das Wort Schöpfung entgegen. Vor schwarzem Hintergrund ist eine Erdkugel abgebildet, in deren Umfeld sich zwei schemenhaft angedeutete Menschen aufhalten. Der Begriff Schöpfung wird, auch wegen der gegenwärtigen Herausforderungen des Klimawandels, in Politiker*innenreden gerne bemüht. Ein theologisch stark geformter Topos erhält Einzug in den säkularen öffentlichen Diskurs, was zunächst einmal ein bemerkenswertes Phänomen ist.
Auch der Apostel Paulus entwirft im achten Kapitel seines Römerbriefes eine Schöpfungsvorstellung, die für die römischen Hausgemeinden als historische Adressatinnen eine unerwartete Wendung, vermutlich sogar ein inhaltliches Kippmoment, bereithielt. Aus Schöpfung neu denken wird rasch eine neue Schöpfung denken. Unter Berufung auf ersttestamentliche und frühjüdisch-apokalyptische Schöpfungserzählungen entwickelt Paulus in der Perikope das innovative und ungewöhnliche Bild einer schreienden Schöpfung, die an der Geburt und somit an ihrer eigenen Zukunft mitarbeitet. Stark argumentative und eschatologische Passagen werden durch jene Geburtsmetaphorik unterbrochen und verleihen der Perikope ihren ganz eigenen Charakter.
Was bedeutet Schöpfung für Paulus? Warum verwendet er, um seine eschatologischen Überzeugungen auszudrücken, mit dem Gebären eine weibliche Körpererfahrung?
Paulus zeichnet eine dynamische und anthropomorphe Schöpfung (1), er adaptiert literarische und theologische Motive unterschiedlichster Provenienz und im Bild der schreienden und an der Geburt mitarbeitenden Schöpfung wird der Zusammenhang (2) von Schöpfung und Geburt sowie ihr Verhältnis zur Hoffnung zur Darstellung gebracht. Das Gebären (3) ist als gemeinsame (Geburts-)Arbeit der gesamten Schöpfung an der „Befreiung (Ent-bindung)“ zu interpretieren, und Geburt „als Prozeß [sic!], an dessen Ende Verwandlung [und] Neuschöpfung“ stehen, zu deuten. Das gemeinsame Schreien (4) ist nicht primär Ausdruck von Leid, sondern muss von der Befreiung aus als Ausdruck der Beendigung des Leidens gelesen werden. Via negationis begreift Paulus Hoffnung (5) als den Modus, in dem eine verheißungsvolle Zukunft bereits in der Gegenwart ihre Kraft entfaltet.
Das Plakat bleibt immer nur wenige Sekunden zu sehen und erreicht die vorbeilaufenden Menschen, wenn überhaupt, nur beiläufig. Der Bahnhof ist ein Nicht-Ort, ein Ort des Übergangs: Leute kommen an, reisen ab oder weiter, denn Niemand, so scheint es zumindest, geht in den Bahnhof, um dort zu verweilen. Zudem sind Bahnhöfe, wie ihre Reisenden, von einer ausgeprägten zeitlichen Ordnung bestimmt. Neben dem festen Fahrplan, vielen Anzeigetafeln und öffentlichen Uhren fügen sich die oftmals gestressten Menschen in diese lineare Zeitstruktur ein. Auch das Plakat in der Werbeanzeige gehorcht dieser zeitlichen Ordnung. Geburten sind ebenfalls Praktiken des Übergangs zum Leben. Zudem wohnt ihnen eine Transformationsdynamik und ganz eigene Zeitlichkeit inne. In meiner Arbeit habe ich ausgehend von Römer 8 übergeordnete Fragen zum Phänomen Zeit behandelt: Zeit und Eschatologie bildeten als Themenkomplex den hermeneutischen Rahmen meiner Analyse:
Welches Zeitkonzept entwickelt Paulus in dieser Römerbriefperikope?
Paulus formuliert in seiner Endzeitrede ein ausdifferenziertes Zeitkonzept (2) und entfaltet es auf der Grundlage einer starken Metaphorik und eines reichen temporalen Vokabulars. Damit verleiht er einer verzeitlichten Eschatologie Ausdruck. Das paulinische Zeitkonzept (1) ist von Spuren perfektiver, präsentischer und futurischer Eschatologie durchzogen, die ein Nebeneinander unterschiedlicher Wirklichkeitssphären konstruieren. In Abgrenzung zu Giorgio Agambens Konzept einer messianischen Zeit, das Zeit als objektivierbare Größe gänzlich für obsolet erklärt, habe ich mit dem modularisierten Zeitmodell die Erweiterung der linearen Zeiterfahrung zu zeigen versucht. Zwei konträr anmutende, aber ineinanderlaufen Dimensionen (3) sind für Paulus bedeutsam und erzeugen jene spannungsvolle Konstellation: Auf das Schon jetzt einer angebrochenen Heilszeit bewegt sich ein Noch mehr zu. Dieses Noch mehr verheißt eine Zukunft, in der die gesamte Schöpfung bejaht und mit Gott vereint wird. Mit dem Schon jetzt als eine aus dem Jenseits in das Diesseits hineinragende Kraft (4) beschreibt Paulus nicht eine abstrakte metaphysische Größe, mit der Jetztzeit (vuv kairou) nicht eine unveränderliche Gegenwart. Paulus vermag es, mit seinem Zeitentwurf, und das hat auch der Abgleich und die Diskussion mit zeitgenössischen zeitphilosophischen Betrachtungen gezeigt, „wesentliche Elemente des modernen Zeitempfindens“ aufzufächern (7). Zu denken wäre hier an den Zeitverlust, die Momenthaftigkeit von Zeit oder eine Zeit des Anfangens.
Ich frage zum Abschluss noch einmal: Was bedeutet es, Schöpfung neu zu denken?
In Römer 8,18-25 deutet Paulus mit seiner Geburtsmetaphorik und einem dynamischen Schöpfungsbegriff an, dass erst im Zusammendenken von Wahrheit und Hoffnung substanzielle Antwortversuche auf diese Frage (wieder) möglich scheinen. Wir müssen gegenwärtige Realitäten anerkennen, uns in widerständiger Geduld üben und Verantwortung übernehmen, denn „wir können es uns nicht leisten, das, was wir tun und sein können, auf eine Zukunft verlagern. Die Bewährungsprobe findet im Jetzt statt […]“. Hoffnungslosigkeit ist dabei, wie Dorothee Sölle schreibt, zu einem Luxusgut geworden, „das sich heute niemand mehr leisten kann“. Nur im Verbund führen Hoffnung und Wahrheit samt jener „Sehnsucht nach der Nähe Gottes […] zum befreienden Handeln, zur Praxis der Veränderung“, die eine Umkehr zur (neuen) Schöpfung und zum Leben ermöglichen.